
Ddie Geschichte dieser Ausstellung führt zurück in das westfälische Land. Ein Autodidakt im Münsterland war in den 1980er Jahren seiner eigenen abstrakten Malerei überdrüssig, fand sie in einer Zeit, in der das Fernsehen den Segen privater und internationaler Sender erlebte, zunehmend belanglos. Phänomene wie Testbilder und Sendestopps sollten bald der Vergangenheit angehören, dank Satellitenfernsehen konnten Privathaushalte ferngesteuerte Programme aus fernen Ländern genießen. Die darin vermittelten Bilder interessierten den gelernten Apotheker mehr als die ungegenständliche Formensprache. Was Googeln im Internet später bedeutete, war dann Zappen auf dem Fernseher.
Für die mediale Wende vor fast vierzig Jahren entwickelte Matthias Groebel nicht nur einen speziellen Sensor – er erfand mit Hilfe eines befreundeten Technikfreaks auf dem Land eine Malmaschine, die bis 2001 rund zweihundert Bilder produzierte. So wuchs die außergewöhnliche Aufmerksamkeit des Fernsehens. Die nach einem der Werke benannte Schau „A Change in Weather“ im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf ist eine verspätete Hommage an die 1958 geborene Aachenerin, wie es bei älteren Künstlerinnen häufiger vorkommt.
Nachdem er sich in Köln niedergelassen hatte, knüpfte er während der Blütezeit des rheinischen Kunsthandels hier und da ein paar Kontakte und stellte sogar in einer Galerie in New York aus, aber offenbar wollte niemand die extreme Modernität seiner Ideen wirklich anerkennen. Es war der Künstler Andreas Selg, der vor einigen Jahren bei der Gruppenausstellung „Telegen“ in Bonn und Liechtenstein auf Groebel aufmerksam wurde und ihm zu einer Ausstellung in der Bernhard Gallery in New York verhalf. Seitdem wenden sich auch Sammler an Groebel, und auch in dieser Hinsicht ist seine Arbeit wertvoll.
Destillationen medialer Sichtbarkeit
Seine Ausrüstung, zu der eine Airbrush-Pistole und ein Scheibenwischermotor gehörten, war einige Zeit älter als die ersten handelsüblichen Farbplotter, die es ihm ermöglichten, Standbilder aus dem Fernsehen Zeile für Zeile auf den Bildschirm zu bringen – wie ein fotorealistisches Gemälde, das das Bild effektvoll einfängt Aura. aus der Kathodenstrahlröhre. Aus heutiger Sicht wirkt Groebels Bildschirmästhetik wie Medienarchäologie. Es wäre ohne Warhol undenkbar und würde spontan an seine Filme denken, etwa an die Totalen von Menschen aus seiner Entourage oder das Empire State Building. Gleichzeitig geht er der Praxis von Künstlern einer jüngeren Generation wie Wade Guyton voraus, der mit dem Drucker malt, in seinem Fall abstrakt.
Matthias-Gröbel-Ausstellung
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Eine Lackiermaschine für die Wende
Ebenso interessant ist die Anordnung, in der Groebel seine Bilder wählte: Er schaltete ein Programm ein, nahm es auf Video auf, schaltete den Ton ab und tauchte bis zu einer Stunde lang ganz in die vorbeiziehenden Bilder ein. Dann ging er in sich hinein und rief jene Eindrücke ab, die ihn besonders beeindruckt hatten – vor allem Gesichter, die in den quadratischen Bildern als zufällige Portraits auftauchen und in ihren Gesichtsausdrücken die emotionale Bandbreite widerspiegeln, die in allen Sendungen von Reality-TV bis Dokumentation vorstellbar ist und Fiktion: Die unbekannten Menschen wirken melodramatisch, aggressiv oder introvertiert, egomanisch, aufgeregt, in eine Handlung verstrickt. Der Maschinenkünstler hat sich ein klares Ziel gesetzt: Bilder mit Anklängen an Gewalt sollten nur aus Spielfilmen stammen. Aus ihrem Kontext herausgelöst, ihrer Erzählung und Bedeutung entleert, erscheinen die Bilder der Serie als Destillate reiner medialer Sichtbarkeit, Momente der Veränderung, die ihre Geschichte intakt halten.
Die Düsseldorfer Ausstellung mit ihren versetzten Wänden beschränkt sich auf Köpfe, die suggestiv in einer Porträtgalerie aufgehängt sind. Neben diesen „Gemalten Gesichtern“ gibt es auch eine kleinere Anzahl von verschwommenen, unscharfen Landschaften oder Motiven, die ins Abstrakte gleiten, als ob mit Rakeln im Stile Gerhard Richters über die nasse Farbe gezogen worden wäre. Mit solchen Bildern hatte Groebel verschlüsselte Fernsehprogramme gehackt, die nur durch Manipulation möglich waren. Im Laufe der Jahre sind auch kleine Bildsequenzen entstanden, in denen fragmentierte Eindrücke assoziativ neu zusammengesetzt werden und deren Bedeutung offen bleibt. Davon hätte man auch gerne etwas gesehen.
Dass Groebel nach seiner Arbeit an „Broadcast Material 1989-2001“ lange Zeit unter Pseudonym arbeitete, steigerte seinen Ruhm natürlich nicht: Nach seinem Tod führte er unter seinem Namen die Arbeit des Parafotografen Ted Serios im Internet fort , mit der er nach eigenen Angaben “als Künstler komplett verschwand” – und als angestellter Apotheker ankam. Er arbeitet jetzt an einer neuen Maschine, um Bilder zu produzieren.
Matthias Groebel: Wetterumschwung (Sendematerial 1989-2001). Kunstverein Düsseldorf, bis 26. Februar. Der Katalog kostet 48 Euro.