
Einhundert bitte
Als das chinesische Restaurant nach Deutschland kam
01.07.2023 um 20:36 Uhr
1923 gilt bis heute als das prägende Jahr der jungen Weimarer Republik. Das Jahr des Umbruchs brachte auch etwas nach Deutschland, das heute für jeden selbstverständlich ist – das chinesische Restaurant. Hat die Erfolgsgeschichte Einwanderung in Berlin oder Hamburg begonnen?
Stellen Sie sich ein Restaurant vor, das aufgrund seines Essens “Italienisches Restaurant”, “Frankreichisches Restaurant” oder sogar “Europa-Restaurant” heißen würde. Es scheint merkwürdig. Aber bei „chinesischen Restaurants“ funktioniert das offensichtlich. Nicht zuletzt zeigt diese Situation, dass Restaurants hierzulande etwas Besonderes haben, die chinesisches Essen auf der Speisekarte haben. Vor 100 Jahren soll das erste chinesische Restaurant Deutschlands eröffnet worden sein. Zeit, den Hinweis zu finden. Das Jahr 1923 gilt bis heute als das prägende Jahr der jungen Weimarer Republik. Wirtschaft zerstört, Staatsbankrott. Die stillgelegte Druckmaschine heizte die Inflation an. Ein Laib Brot beim Bäcker? Es wird bis zu 25 Milliarden Mark kosten. Aber natürlich ist dieses Jahr nicht nur desaströses passiert, sondern auch reines.
“1923 eröffnete das erste chinesische Restaurant in der Kantstraße 130b in Berlin.” Das schrieb die Bundeszentrale für politische Bildung in einem Artikel über Berlin. “Es wurde von einem Ex-Liga-Kicker betrieben und hieß ‘Tientsin’.” “Tientsin” (wörtlich “Heaven’s Ford City”) ist der frühere Name der nordchinesischen Stadt und Provinz Tianjin. Heute steht in der Kantstraße 130b/Ecke Leibnitzstraße ein unscheinbares Gebäude mit Brillengeschäft und Apotheke im Erdgeschoss.
Die ersten Chinesen kamen nach Angaben der Bundesbehörde Anfang des 20. Jahrhunderts nach Berlin und studierten beispielsweise an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Am nahe gelegenen Kurfürstendamm befand sich damals auch die chinesische Botschaft. In den 1920er Jahren hatte die seit 1902 bestehende Chinesische Studentenvereinigung ein Büro in 118 Contreras. Bis heute gilt die Kantstraße – sie beginnt am Breitscheidplatz mit der Gedächtniskirche – als Asien- oder Chinatown der deutschen Hauptstadt, auch wenn man sie mit amerikanischen Vierteln in San Francisco oder New York vergleicht.
Die Zutaten stammen aus dem Meer
„In den 1920er Jahren war ein Restaurant mit außereuropäischer Küche ziemlich ungewöhnlich“, sagt der Hamburger Historiker Lars Amanda, der sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte der chinesischen Einwanderung beschäftigt. „Das Berliner „Tientsin“ war ab 1923 wohl das erste chinesische Restaurant in Deutschland, das sich auch an die deutsche Bevölkerung richtete und beispielsweise junge Intellektuelle und Bohemiens anzog.“ In Hamburg geht es etwas früher los, aber die Geschichte ist viel düsterer. „Anfang der 1920er-Jahre bemerkten die dortigen Polizeibeamten, dass Chinesen aus englischen Hafenstädten nach St. Pauli kamen und Bars und Geschäfte mit kantonesischen Speisen eröffneten, weil viele der Seefahrer aus Hongkong stammten. Aber über diese frühen Orte. Ich habe kaum welche Information.”
Küchenzutaten wie Sojasauce, Gewürze, getrockneter Fisch und Tofu dürften von der Reederei gut sortiert werden. Als Beweis für ein frühes chinesisches Restaurant, sagt Amanda, gibt es eine Anzeige von 1921 im Hamburg Guide. Inhalt: “Peking – Chop-Suey-Restaurant – Das erste und einzige chinesische Restaurant in Deutschland – Jazzmusik” Das Restaurant soll sich in der Fuhlentwietestraße (Nr. 27) im Stadtzentrum befunden haben. „Es ist jedoch überraschend, dass es keine weiteren Berichte gab. Möglicherweise wurde es sehr bald wieder geöffnet oder geschlossen.“
Jedenfalls war das erste chinesische Restaurant in Hamburg nicht für Deutsche, sondern für chinesische Besatzungen an Bord von Dampfern gedacht. Es gab auch chinesische Themenunterhaltung mit Tänzen und führenden Tänzern. Kurt Tucholsky habe zum Beispiel vom „neuen China“ gesprochen, sagt Amanda. Während der Nazizeit und während des Krieges hatte es die internationale Küche noch einmal schwer. Aber er wird nicht ganz verbannt, wie Amanda weiß. In dem Film “Große Freiheit Nr. 7” von 1944 gibt es eine lange Szene in einem simulierten Restaurant namens “Shanghai”, die für den Film eigentlich ziemlich wichtig ist, da Hannes Kröger alias Hans Albers beschließt, zurück zur See und zum Chinarestaurant zu gehen dient als symbolisches Umfeld für die Internationalisierung von
Unzählige Restaurants, so viele Klischees
China-Restaurants galten in der Nachkriegszeit in der jungen Bundesrepublik als Sinnbild der großen, weiten Welt. Und heute? Laut einer Umfrage eines Yougoo-Korrespondenten rangieren chinesische Restaurants unter Erwachsenen in Deutschland an dritter Stelle, wenn es darum geht, auswärts zu essen – hinter Italienern und Griechen. Auch die Klischees über chinesische Restaurants werden 2023 sehr lebendig sein: Man bestellt nach Nummern („a 43, please“) und Menüs sind geschichtet. Pekingente ist nicht immer, aber Schwein, Rind, Ente, Huhn oder Rindfleisch mit süß-sauren Pfannennudeln, oft gekocht mit Glutamat, einem umstrittenen Geschmacksverstärker, der Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Übelkeit verursachen kann: die so- China-Restaurant-Syndrom genannt
Gerade in Ostdeutschland werden chinesische Restaurants oft nicht von Chinesen geführt, sondern von Vietnamesen, die sich nach der Wiedervereinigung als ehemalige Vertragsarbeiter der DDR ein neues Leben aufgebaut haben. Im Jahr 2023 wird es in Deutschland unzählige chinesische Restaurants geben. In Hamburg gibt es seit 1964 das „Dim Sum Haus“ am Hauptbahnhof, das den Anspruch erhebt, das „älteste chinesische Restaurant“ der Stadt zu sein. München hatte 65 Jahre (Stand 2018) ein „Hongkong“ in Schwabing.
Und in Berlin nennt sich das seit 1969 bestehende „Lone Man“ unweit des Bayerischen Platzes in Schönberg „das älteste chinesische Restaurant“. Die Betreiber betonen, dass man in China normalerweise an runden Tischen isst, wobei die Speisen auf einem rotierenden Teller in der Mitte des Tisches stehen. Gastgeber versuchen immer, den Gästen mehr als nur Essen zu bieten. „Wenn die Gäste alle Speisen aufgegessen haben, wäre das ein Zeichen dafür, dass der Gastgeber zu wenig Essen bereitgestellt hat, was dazu führen würde, dass der Gastgeber sein Gesicht verliert.“