Wirtschaft hautnah“ bei der IHK Dortmund – die Botschaft: „Europa muss wetterfest werden“

ARD-Moderator und Wirtschaftsjournalist Marcus Gurn behandelte vor 200 Gästen ein breites Themenspektrum rund um die geoökonomische und politische Lage.
ARD-Moderator und Wirtschaftsjournalist Marcus Gurn behandelte vor 200 Gästen ein breites Themenspektrum rund um die geoökonomische und politische Lage. Foto: Stefan Schütze für die IHK Dortmund

Nach fast vierjähriger Pause lud die IHK zu Dortmund erneut zur Veranstaltung „Wirtschaft hautnah“ ein. Vor 200 Gästen beleuchtete ARD-Moderator und Wirtschaftsjournalist Markus Gurne ein breites Spektrum an Fragen zur geoökonomischen und politischen Lage – und was Deutschland und der EU aus seiner Sicht derzeit fehlt.

Rund 200 Gäste folgten der Einladung der IHK

„Ich bin Schwabe – und du hast den Gendefekt schon mit Geld im Blut.“ Es waren Sätze und kleine Scherze wie diese, mit denen ARD-Journalist und Fernsehmoderator Marcus Gurney sein Publikum immer wieder für sich gewann. Erregte nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch viel Gelächter in den Hallen der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund. Und das, obwohl die Themen, über die er sprach, alles andere als einfach sind. Vor allem kategorisiert er globale wirtschaftspolitische Verflechtungen und Verflechtungen – und fasst zusammen, was sie für die Entwicklung Deutschlands und der EU bedeuten. Sein Fazit: „Europa muss wetterfest werden.“

IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber begrüßte die 200 Gäste.
IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber begrüßte die 200 Gäste. Foto: Stefan Schütze für die IHK Dortmund

Rund 200 Gäste folgten am Montagabend der Einladung der IHK, Gürne zuzuhören. Das Format „Wirtschaft hautnah“ der IHK, bei dem sich Menschen aus Politik und Wirtschaft über aktuelle Themen austauschen, habe aufgrund der Pandemie zuletzt im Februar 2019 stattgefunden, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber.

Er leitete auch den Abend, “wobei man bei den zahlreichen Ereignissen dieser Tage sonst nicht von Mittelmaß sprechen kann.” In seinen Ausführungen ging Schreiber auf die energiepolitische Debatte um Schiefergas (Fracking) und den langwierigen Bau der A45-Brücke bei Lüdenscheid ein.

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Ein Plädoyer für die Geschäftswelt

Gürne ist bekannt für die Sendung „Wirtschaft vor Acht“. Aber auch zuvor hatte der 52-Jährige als Auslandskorrespondent – ​​etwa in Ägypten, Irak und Indien – gearbeitet und sich ein umfangreiches Netzwerk an Kontakten aufgebaut und Erfahrungen gesammelt. Kontakte und Erfahrungen, die ihm Vergleiche ermöglichen. Auch wenn das manchmal schmerzhaft ist, wie sich im Laufe des Abends mehrfach herausstellte.

Nach fast vierjähriger Pause veranstaltete die IHK zu Dortmund die Veranstaltung Wirtschaft hautnah." Eingeladen.
Nach fast vierjähriger Pause lädt die IHK zu Dortmund erneut zur Veranstaltung „Wirtschaft hautnah“ ein. Foto: Stefan Schütze für die IHK Dortmund

Der indische Botschafter zum Beispiel habe ihm einmal gesagt, die Deutschen seien lustig. “Das hat mich überrascht, denn normalerweise sind wir im Ausland nicht für unseren Humor bekannt.”

Der Botschafter erklärte es so: Deutschlands Bevölkerung sei mit 83 Millionen Menschen so groß wie die fünf größten Städte Indiens – ein Land mit heute 1,4 Milliarden Einwohnern, das 2024 China als bevölkerungsreichstes Land ablösen werde. “Dann hat er mich gefragt: Was glaubt ihr Deutschen, auf der weltpolitischen Bühne erreichen zu können?”

In Gurneys Vortrag ging es vor allem um eines: ein Plädoyer, die Geschäftswelt nicht als Buch mit sieben Siegeln zu sehen und global zu denken. „Ein Land mit wirtschaftlichem Potenzial, aber wenig Rohstoffen braucht eine Bevölkerung, die etwas von Wirtschaft versteht“, betonte der Rhetoriker mehrfach lapidar. Und forderte im gleichen Atemzug die Entwicklung und Förderung von mehr Innovationskraft und Praktikabilität statt der Aufrechterhaltung einer ausufernden Bürokratie. Das Land der Dichter und Denker ist lethargisch geworden: “Wir sind mit Fett bekleidet.”

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Jahrzehntelange Missverständnisse in der deutschen Politik

David Petraeus, ehemaliger General und Chef des US-Geheimdienstes CIA, hat es einmal auf den Punkt gebracht: “Ihr Problem ist, dass Sie Deutsche erwarten, dass wir Ihr Problem lösen.” Warum das so ist, kann die Regierung auf lange Sicht immer mehr nicht erklären. Das Geld der amerikanischen Steuerzahler sollte in die Lösung der Probleme anderer investiert werden.

ARD-Moderator und Wirtschaftsjournalist Marcus Gurn behandelte vor 200 Gästen ein breites Themenspektrum rund um die geoökonomische und politische Lage.
ARD-Moderator und Wirtschaftsjournalist Marcus Gurn behandelte vor 200 Gästen ein breites Themenspektrum rund um die geoökonomische und politische Lage. Foto: Stefan Schütze für die IHK Dortmund

Gurney nannte in diesem Zusammenhang einige Missverständnisse, die in diesem Land seit Jahrzehnten bestehen: „Erstens: Die USA werden immer unsere Sicherheit garantieren. Zweitens wird Russland unseren Energiebedarf immer billig decken. Drittens: Wir beziehen Rohstoffe aus China, das ist auch ein Markt, der unseren Wohlstand garantiert.“

Ein gescheitertes Mautprojekt, ein verstümmelter Tankstellenrabatt, ein Hin und Her mit Spritabgaben, ein schleppender Klimawandel: Er sprach viele lokale Themen an – und je länger man dem Wirtschaftsreporter zuhörte, desto mehr fragten sich die Gäste, was noch sei feinfühlig geregelt in Deutschland. Der 52-Jährige zog immer wieder Vergleiche mit anderen Ländern.

Nachdem er auf seinem Haus eine Photovoltaikanlage installiert hatte, erhielt er in Deutschland mehrere behördliche Schreiben, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass er nun Energieerzeuger und damit Unternehmer sei. In Schweden hingegen erhielt er nach Installation der Anlage in einem Ferienhaus ein Dankesschreiben – und die Information, dass der Staat 30 Prozent Zuschuss gewähren würde. “Ich konnte es kaum glauben! Ich habe bei den Behörden angerufen und gefragt, ob ich es wirklich richtig gemacht habe und das Geld bekommen würde, anstatt es zu bezahlen.” Der Sachbearbeiter am anderen Ende der Leitung lachte: “Sie müssen Deutscher sein!”

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Fördern Sie Gemeinschaftsdenken statt Pessimismus

Und doch war Gurn an diesem Abend weit davon entfernt, Pessimismus zu verbreiten. Stattdessen wollte er die Dinge aufrütteln. „Ich glaube, der Druck auf uns und auf die EU ist nicht stark genug“, sagte er – und appellierte, die Politik solle mehr wie Unternehmen agieren: weniger bürokratisch, aber fokussiert und zielorientiert. In Deutschland gibt es Tausende von weltweit erfolgreichen Unternehmen, oft traditionelle Familienunternehmen, die wissen, wie es geht, weil sie nicht faul sein dürfen.

Gruppenfoto: v.l. IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber, Markus Gern (Leiter ARD-Finanzredaktion), IHK-Hauptgeschäftsführer-Stellvertreter Wolf-Christian Ehrich, IHK-Vizepräsidentin Anja Fischer und IHK-Vizepräsident Christian Zurbruggen.
Gruppenfoto mit Gästen: v.l. IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber, Markus Gern (Leiter ARD-Finanzen), IHK-Hauptgeschäftsführer-Stellvertreter Wolf-Christian Ehrich, IHK-Vizepräsidentin Anja Fischer und IHK-Vizepräsident Christian Zurbruggen. Foto: Stefan Schütze für die IHK Dortmund

“Nirgendwo sonst wird so viel geweint, gejammert und gejammert wie hier.” Die Debattenkultur in Deutschland ist geprägt von dem Motto: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.“ Doch ohne mehr Gemeinschaftsdenken, so Gürne, werde sich Deutschland nicht weiterentwickeln. “Gemeinschaft ist sehr wichtig.” Spontaner Applaus des Publikums. Gurney wies darauf hin, dass Frieden, Freiheit und Sicherheit nicht selbstverständlich seien – „sie haben ihren Preis“.

Aber diese Art des Denkens nimmt langsam wieder Fahrt auf. Europa zum Beispiel überdenkt seine Werte – das zeigt die gemeinsame Front, die Putin anbietet, der den Westen als dekadent und schwach bezeichnet hat. Und trotz aller Krisen gab es auch eine gehörige Portion Zuversicht, die Gurn dem Publikum am Ende mit folgendem Satz vermittelte: „Diesmal geht die Welt nicht unter.“

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